12/04/2014
Berühmter Chopin und fast vergessener Szpilman
Gunter Faigle - Suedkurier
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Die polnische Pianistin Ewa Kupiec und Andrzej Szpilman beeindrucken mit Musik und Lesung Ewa Kupiec ist eine Pianistin, die einen mit ihrem Spiel langsam, aber unweigerlich in ihren Bann zieht und deren phänomenale Ausdruckskraft einem schließlich fast die Sprache nimmt. Im Donaueschinger Strawinsky-Saal spielt sie ausschließlich Kompositionen von zweien ihrer polnischen Landsleute: von Frédéric Chopin und von dem kompositorisch kaum noch beachteten, im Jahr 2000 verstorbenen Pianisten Wladyslaw Szpilman.
Dieser ist hauptsächlich durch seine autobiografischen Erinnerungen im Gedächtnis geblieben, die Roman Polanski unter dem Titel „Der Pianist“ verfilmt hat. Sein Sohn Andrzej Szpilman liest in Donaueschingen Passagen aus dem Buch des Vaters, das vom „wunderbaren Überleben“ als jüdischer Künstler im Warschau der Jahre 1939 bis 1945 berichtet und den roten Faden durch das Programm bildet.
Ewa Kupiec beginnt mit Chopins Ballade in g-Moll op. 23. Gleich der erste Eindruck offenbart ihre künstlerischen Qualitäten und Tugenden. In kleinsten Abstufungen entfaltet sie eine Dynamik von enormer Bandbreite, ihre Technik ist makellos. Faszinierend wirkt ihre Konzentration, die zu einer musikalischen Gestaltung führt, die intensives Empfinden, ein feines Gespür für Ruhe und Kraft sowie eine bis ins Detail gehende Sorgfalt der Ausführung in sich vereint. Andrzej Szpilman berichtet zum Beginn über die Zeiten in Warschau unmittelbar vor dem Zweiten Weltkrieg. Mit Gleichmut oder auch Empathie im Tonfall wird er in insgesamt sieben Episoden das verstörende Schicksal seiner Herkunftsfamilie darlegen, die ausgewählte Musik nimmt darauf Bezug. Ein erstes Stück von Wladyslaw Szpilman ist zu hören: ein einsätziges Concertino. Man vernimmt Anklänge an George Gershwin, synkopierte Melodieverläufe und Rhythmen aus Marsch und Bebop, aber auch volle wie gebrochene Akkorde, ergänzt durch schnelle Ausflüge über die gesamte Klaviatur. Ewa Kupiec hat ein sicheres Gefühl für die ständig wechselnden Farben des Klangs.
Bei der wenig später folgenden Mazurka aus der Feder von Szpilman, einem bei der Einordnung verwirrenden, weil „chopinesken“ Stück, spielt Kupiec die längeren Triller mit wunderbarem Zartgefühl.
Auch den anschließenden 2. Satz aus Szpilmans Suite „Das Leben der Maschinen“ mit seiner an der Atonalität orientierten Harmonik und der Satzbezeichnung „Die Maschine ruht“ lässt sie ganz sanft enden.
Der 1. Suiten-Satz hingegen, der auf Chopins trauermarschartiges Prélude Nr. 20 aus op. 28 folgt, ist ein akustisches Gegenstück. Kupiec unterstreicht unerbittlich den pochenden Rhythmus und lässt das Stück, wie geboten, hart und abrupt enden.
Eine besondere Bedeutung in Wladyslaw Szpilmans Leben hat Chopins Nocturne in cis-Moll aus op. 27, das letzte Stück, das der polnische Rundfunk 1939 beim Einmarsch der deutschen Wehrmacht senden konnte, und das erste Stück, mit dem er 1945 die neue Zeit begann. Ewa Kupiec entwickelt seine Lyrismen mit zurückgenommener Innerlichkeit.
Zum grandiosen Höhepunkt am Schluss macht sie Chopins unpathetisch zu spielendes Andante spianato samt der dazugehörigen brillanten Grande Polonaise in Es-Dur. Sie zieht noch einmal alle Register ihrer ausgefeilten Klavierkunst. Die Verbindung von Text und Musik beeindruckt gut 150 Zuhörer nachhaltig.
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