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13/02/2012
Kraftvoll, virtuos, empfindsam
Theophil Hammer - Stimme.de
Heilbronn - Das Programm von Ewa Kupiec in der Harmonie beinhaltete keine Gipfelwerke der Klavierliteratur und bot doch ein gelungenes Beispiel dafür, wie man intelligent und beziehungsreich einen Klavierabend zusammenstellt.

"Lieder ohne Worte" lautete der thematische Oberbegriff, der sich auf unterschiedliche Weise manifestierte. Vor der Pause bot die Pianistin je vier Impromptus von Franz Schubert (op. 90) und von Frédéric Chopin und hob dabei deren melodiöse Qualitäten hervor. Nach der Pause stellte sie elf Liedern ohne Worte von Felix Mendelssohn-Bartholdy zwei Liszt-Bearbeitungen von bekannten Schubert-Liedern gegenüber: "Ständchen" und "Erlkönig". Insgesamt also 21 Stücke, zusammengehalten durch ein übergeordnetes Konzept.

Weich hingetupft Schon mit dem einleitenden c-Moll-Impromptu von Schubert gibt die Künstlerin die Marschrichtung vor, die durch Introvertiertheit gekennzeichnet ist. Unendlich lang hält sie das Fortissimo und in Doppel-Oktaven zu spielende Anfangs-G, um dann tastend eine rezitativische Phrase anzustimmen. Die findet ihre Fortsetzung in weich hingetupften Akkorden.

Wie Kupiec dann aus der akkordischen Struktur zu der von Triolen unterlegten As-Dur-Melodie findet, das ist hohe Anschlags-Kunst. Dabei drängt sich die Melodie nie mit Nachdruck ins Bewusstsein, sondern zieht mit schwebender Entrücktheit dahin. Das Insistierende der folgenden Ton-Repetitionen wirkt wie ein Vorläufer von Chopins Regentropfen-Prélude. Das Tempo ist sehr zurückgenommen. Das ändert sich beim folgenden Es-Dur-Impromptu. Hier zeigt die sie filigrane Geläufigkeit in den Rahmenteilen und geraffte Kompaktheit im h-Moll-Mittelteil. Höhepunkt: das dritte Impromptu (Ges-Dur, Andante) mit seiner weit schweifenden Melodie, den stützenden Bass-Tönen und dem zart wogenden Mittelbau.

Für die Chopin-Impromptus wählt die Interpretin einen extrovertierteren Ansatz. Im As-Dur-Stück op. 29 lädt sie die vermeintliche Zweistimmigkeit zu entfesselter Gebärde auf. Dass sie dabei, wie vor allem auch im Fantaisie-Impromptu, die Lautstärke-Angaben nicht immer befolgt, mag ein kleiner Mangel sein, rechtfertigt sich aber durch die Überzeugungskraft des Zugriffs. Das Fis-Dur-Impromptu op. 36 erfährt eine kluge Steigerung, die in brillanten Zweiunddreißigstel-Läufen der rechten Hand gipfelt. Die Auswahl der Lieder gerät abwechslungsreich und schlüssig.

Was Ewa Kupiec als Pianistin ausmacht − kraftvolle Virtuosität und sensible Individualität −, hier ist es gebündelt. Spinnerlied und Venezianisches Gondellied verdeutlichen diesen Gegensatz ebenso wie die Schubert-Liszt-Lieder. Im "Ständchen" unterlegt sie die Melodie samt hinzukomponiertem Echo mit gezupften Begleit-Akkorden, im "Erlkönig" bietet sie dramatische Kraftentfaltung. Dennoch erreicht die Lisztsche Bearbeitung nicht die Wirkung von Heinrich Wilhelm Ernsts Geigen-Version. Vier Violin-Saiten vermögen mehr als 88 Klaviertasten. Herzlicher Beifall.
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